am großen Aletsch-Gletscher | © DAV Sektion Altdorf - Jan Kürschner
Leiter-Anstieg zur Konkordiahütte | © DAV Sektion Altdorf - Wolfgang Wening
schlechte Sicht am großen Aletsch-Gletscher | © Leiter-Anstieg zur Konkordiahütte
im Eisbruch am Fieschergletscher | © DAV Sektion Altdorf - Jan Kürschner
Gipfelanstieg zum hinteren Fiescherhorn (4025m) | © DAV Sektion Altdorf - Wolfgang Wening
Gruppefoto am hinteren Fiescherhorn (4025m) | © DAV Sektion Altdorf - Wolfgang Wening
Tiefschneeabfahrt im Blindflug | © DAV Sektion Altdorf -  Jan Kürschner

Gletscher-Skitour

Berner Oberland - UNESCO-Welterbe Jungfrau-Aletsch

23.04.2023

Séracs und Viertausender

Skidurchquerung im Berner Oberland in grandioser Bergkulisse

Wir – eine Dreiergruppe des DAV Altdorf – begaben uns Ende April eine Woche auf Gletscherskitour in den Berner Alpen, für zwei von uns völliges Neuland. Dementsprechend gespannt waren wir alle, was wohl folgen würde.

Die ersten beiden Tage gehörten dem Aufstieg und der Akklimatisation. Von der Fiescheralpe startete der Aufstieg anfangs völlig ohne Sicht zum Tälligrat, es folgte bei immer noch sehr diffusem Licht die Abfahrt zum Großen Aletschgletscher, dem größten Gletscher der Alpen. Auf dessen flacher, schier nicht enden wollender Eisfläche marschierten wir zum Skidepot der Konkordiahütte, dabei gab das sich schnell bessernde Wetter erstmals die Sicht auf die gewaltige Bergkulisse der umstehenden Drei- und Viertausender frei. Von hier mussten wir noch 437 (!) Treppenstufen zur Hütte hinauf bewältigen, als Belohnung winkte eine hervorragende Verpflegung!

Den nächsten Tag nutzten wir wegen des angekündigten Schneefalls mit starkem Wind für den Übergang durch die Grünhornlücke zur Finsteraarhornhütte. Da erneut eine Wetterbesserung eintrat, nutzten zwei von uns diese für den Anstieg zum Wyssnollen, mussten jedoch wegen harter Spurarbeit im tiefen Pulverschnee abbrechen. Auch hier hatten wir nach Querung des Fieschergletschers – dem zweitgrößten der Alpen – wieder über 100 Höhenmeter Schlussanstieg zur Hütte zu bewältigen.

Wegen des angesagten guten Wetters wagten wir am dritten Tag den Versuch, den höchsten Gipfel der Berner Alpen, das Finsteraarhorn, zu ersteigen. Diesen mussten wir aber auf halber Höhe wegen starken Windes und Lawinengefahr abbrechen. Es folgte dafür eine traumhafte Abfahrt in perfektem Pulverschnee. Zwei von uns vollendeten anschließend das gestern begonnene Werk und erstiegen den Wyssnollen.

Am folgenden Morgen brach die Mannschaft zur Ersteigung des Hinteren Fiescherhorns auf, einem weiteren Viertausender. Bei Sonnenschein, aber wieder starkem Seiten- und Gegenwind überquerten wir die kilometerweite Eiswüste bis zu einem Gletscherbruch. Dessen Durchquerung mitten zwischen haushohen Séracs – riesigen Eisblöcken, die jederzeit einzustürzen drohten – tiefen Gletscherspalten und skurrilen Eisfiguren war das beeindruckendste Erlebnis dieser Woche. Kurz vor dem Ziel mussten wir die Skier gegen Steigeisen tauschen und mit Pickeln eine sehr steile, teils schneebedeckte Eiswand erklettern und einen kurzen Felsgrat bezwingen. Die Aussicht aus 4025 m auf die umliegende Bergwelt mit Gipfeln wie Eiger, Mönch, Jungfrau, Monte Rosa und Matterhorn bis hin zum Mont Blanc war überwältigend.

Den nächsten Schlechtwettertag nutzten wir für den Übergang zur Oberaarjochhütte. Bei teils extrem schlechter Sicht übten wir die ungeliebte Disziplin „Abfahren am Seil“ auf dem Fieschergletscher. Wider Erwarten war aber aus der Kälte der Vortage plötzlich eine ungewohnte Wärme mit Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt geworden, was zum Kleidungswechsel mitten am Gletscher führte. Kurz vor Ende der Etappe gab es noch eine unangenehme Überraschung: Der Hüttenzustieg war eine mit tiefem Pulverschnee bedeckte Felswand, in der die angebrachten Sicherungsseile und -ketten teils kaum zu finden waren. Auch eine senkrechte Leiter mussten wir überwinden, bei der die angeschriebene Steinschlaggefahr auch nicht zur Beruhigung der Gemüter führte. Als einzige Gäste der Hütte war dafür eine Rundumversorgung durch den freundlichen Hüttenwirt garantiert.

Das spannendste Kapitel bot der Schlusstag: Würde der Abstieg ins Rottental gelingen? Der Wetterbericht sagte Schneefall bis in die Morgenstunden mit schlechter Sicht voraus. Bei erneut hohen Temperaturen scheiterte zunächst der Versuch, die Bächilücke über den Gipfel des Vorderen Galmihorns zu erreichen, an steilen Hängen und tiefem Pulverschnee. Der zweite, diesmal direkte Anlauf durch die Spaltenzonen des Galmigletschers war dagegen erfolgreich, mittlerweile war auch die angekündigte Wetterbesserung eingetreten. So konnten wir auch das Vordere Galmihorn noch „mitnehmen“. Da die eigentlich angepeilte Abfahrt über die Galmihornhütte keine der vorausgehenden Gruppen genommen hatte, planten wir kurzfristig um und nahmen stattdessen die Route über den Bächigletscher. Der Genuss wurde durch den immer tiefer werdenden Sulzschnee getrübt, die letzten 600 Höhenmeter hinunter nach Münster mussten wir mangels Schnee erwartungsgemäß die Skier tragen.

Eine Woche mit unvergesslichen Bergerlebnissen waren zu Ende gegangen und alle blickten sehnsüchtig, aber auch ein wenig stolz und erleichtert wegen des positiven Verlaufs der Tour auf die Gipfel der Berner Alpen zurück. Die einzigartigen Bilder bleiben uns allen sicherlich noch lange in Erinnerung und machen Lust auf eine Rückkehr. Aber auch die Folgen des Klimawandels wurden allen direkt vor Augen geführt: Hüttenzustiege mit mehr als 100 Höhenmetern wegen abschmelzender Gletscher, (fast) kein Wasser auf den Hütten, Steinschlaggefahr aus den Felswänden. Wie lange werden wir diese grandiose Landschaft in dieser Form noch bewundern können?

Text: Wolfgang Wening